Feierabend in Tokio: mit dem Chef ins nächste Izakaya

Was macht das Ausland nach der Arbeit? Felix Lill, Japan-Korrespondent vom RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), über die Feierabendkultur in Tokio.

Zwischen lauten Gesprächen und Trinkgelagen

Wann Feierabend gemacht wird, das entscheidet man in Japan oft nicht selbst. Wer nach Hause geht, bevor der Chef den Arbeitsplatz verlässt, den plagen Schuldgefühle. Also tut man lieber so, als wäre man noch beschäftigt, und wartet, bis der Chef sagt: „Otsukare sama deshita!“ Das heißt auf Deutsch so viel wie: Ihr habt euch erschöpft! Und es bedeutet Anerkennung für einen geschafften Tag.

Sind diese Worte also ausgesprochen, geht es um die Gretchenfrage: Zitiert der Chef seine Mitarbeiter noch zu einem „nomikai“, einem Trinktreffen? Wenn er so etwas durchblicken lässt, dann müssen die ihm Unterstellten in der Regel mitkommen. Dann geht es meistens ins nächste Izakaya, ein Lokal, wo man auf Kissen auf dem Boden Platz nimmt. Dort legt sich der Rauch von Zigaretten über die Tische, der Lärm lauter Gespräche zieht durch den Raum.

Feierabend in Tokio

Angefangen wird eigentlich immer mit Bier, dazu kommt reichlich Essen, von Fisch und Reis bis Würstchen und Pommes frites. Oft sucht der Chef aus. Der Jüngste am Tisch muss dagegen darauf achten, dass niemals ein Glas der Älteren leer ist. Zum Abgang gibt es Reisschnaps.

Und dann geht’s nach Hause, in Tokio spätestens mit der letzten Bahn gegen halb eins. Je betrunkener alle sind, so scheint es manchmal, desto besser. In Form von Trinkgelagen begegnet man sich auch gern mit guten Geschäftspartnern. Der Grund ist einer, den ein Unternehmer mal im Suff verraten hat: „Im Besprechungsraum lerne ich deinen Kopf kennen. Im Izakaya dein Herz.“

Weitere Kolumnen zum Feierabend gibt´s im MADSACK-Blog.