Wie die Kieler Nachrichten falsche Leserbriefe enttarnten

Zwei Politiker der Grünen in Schwentinental schrieben Leserbriefe unter falschem Namen. Sibylle Haberstumpf recherchiert wochenlang und deckt die Täuschung auf.

Knapp 13.600 Einwohner hat die Stadt Schwentinental im Kreis Plön, circa 10 Kilometer von Kiel entfernt. Hier arbeitet seit etwas mehr als einem halben Jahr Sibylle Haberstumpf als Redakteurin für die Kieler Nachrichten. Nach kurzer Zeit hat sie bereits einen Skandal um gefältschte Leserbriefe aufgedeckt.

Ein erster Hinweis an Sibylle Haberstumpf

Im Juli erhielt die Redaktion einen Leserbrief mit dem Absender „Walter Stängel“. Stil und Inhalt des Leserbriefs klangen verdächtig nach einem Vertreter der Grünen. In diesem Brief wurde etwa Kritik am Stadtwerke-Chef geübt, die ein Grünen-Politiker kurz zuvor auch Sibylle Haberstumpf gegenüber geäußert hatte.

Haberstumpf wird hellhörig und beginnt zu recherchieren. Im Melderegister der Stadt Schwentinental gibt es keinen Walter Stängel. Dafür gibt es ein Facebook-Profil, das eindeutig auf einen Anhänger der Grünen hinweist, nämlich auf den Bürgervorsteher Dennis Mihlan.

Die Recherche

Die E-Mail-Adresse, unter der Walter Stängel seinen Leserbrief an die Redaktion geschickt hatte, entdeckt Haberstumpf in einem zehn Jahre alten Online-Forum. Über den hier verwendeten Usernamen „Masta3mc“ gelangt sie bei der Internetrecherche zu einem Profil auf dem Verkaufsportal eBay.

Einige Fotos dort angebotener Artikel fand Haberstumpf schließlich auf dem privaten Facebook-Profil von Dennis Mihlan, zum Beispiel bestimmte Kleidungsstücke, Auto- und Rollerzubehör. Mittlerweile hatte Haberstumpf einen weiteren Leserbrief aus dem April 2019 unter dem Namen „Bernd Seiler“ ebenfalls als verdächtig ausgemacht und befragte den Grünen-Fraktionsvorsitzenden Andreas Müller dazu.

Beide Politiker stritten bei der Konfrontation mehrfach ab, die Leserbriefe geschrieben zu haben und dachten sich verschiedene Ausreden aus.

So etwas gab es noch nie

Doch die Redakteurin ließ nicht locker. Als Haberstumpf die Veröffentlichung des Artikels ankündigte, schickten beide Politiker ein Statement per E-Mail. Sie räumten ein, von Mai 2018 bis Juli 2019 insgesamt fünf Leserbriefe unter falschem Namen geschrieben zu haben (drei wurden abgedruckt) und entschuldigten sich für ihr Verhalten.

Sie traten von ihren Ämtern zurück. „Das ist eine massive Täuschung unserer Zeitung und auch meiner Person gewesen“, sagt die Redakteurin.

Für die Kieler Nachrichten war dies ein Verstoß gegen ihre Grundsätze. Politiker haben hier die Möglichkeit, sich über Pressemitteilungen zu äußern, aber eben nicht über Leserbriefe. Daher war auch KN-Chefredakteur Christian Longardt überrascht von diesem Fall. „Durch intensive Recherche deckte Frau Haberstumpf einen Fall auf, den es in der Geschichte unserer Zeitung so noch nicht gab.“

Mehr Einblicke über die journalistische Arbeit bei der MADSACK Mediengruppe gibt´s auf www.madsack.blog.