Imre Grimm: Wie ich plötzlich zum Influencer wurde

Imre Grimm RedaktionsNetzwerk Deutschland

Via Twitter unterstützte Redakteur Imre Grimm das Konzert und die Demo #Wirsindmehr am 3. September gegen Rechts in Chemnitz – die Reaktionen überraschten ihn.

Imre Grimm ist Redakteur beim RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Bei Twitter erhält er regelmäßig Reaktionen auf seine Artikel – Kritik und Anfeindungen, aber auch positive Rückmeldungen. Und manchmal gibt es auch Momente, da lässt sich in sozialen Medien etwas Gutes bewegen.

Am 30. August unterstützte er via Twitter das Konzert und die Demo #Wirsindmehr am 3. September gegen Rechts in Chemnitz – von der überwältigenden Reaktion binnen weniger Tage war er überrascht. 3Sat, Youtube, Flixbus und Coco Cola folgten seinem Aufruf.

Warum mehr Haltung von Unternehmen in diesen Zeiten wichtig ist, schildert Imre Grimm hier.

Imre Grimm: Plötzlich Influencer

Bei Twitter begegnen mir täglich Gift und Galle. Als Journalist ist man automatisch Zielscheibe für das Geschrei von „Lügenpresse“-Krawallos und „besorgten Bürgern“. Es gibt Tage, da macht mich die toxische Aggressivität im Netz mürbe. Das immer gleiche Schema: Ich schreibe eine Geschichte, deren Stoßrichtung irgendwem nicht passt. Der nimmt persönlich, wittert Verrat und beißt und giftet um sich.

Lüge! Manipulation! Betrug! Gutmensch! Ich habe Shitstorms erlebt, Drohungen, Hass. Diskussionen sind sinnlos. Don’t feed the troll. Man muss das aushalten als Berichterstatter und Kommentator. Und immer mal daran erinnern: Den Fakten sind Gefühle egal.

Und dann gibt es die anderen Tage. Die Momente, wenn die sozialen Medien wieder die positive Kraft entfalten, die so oft überlagert wird vom schwefligen Geruch der Lüge. Wenn Leser schreiben, dass sie mögen, was sie lasen.

Wenn Texte Kreise ziehen. Wenn es ein nettes Feedback gibt, einen echten Austausch. Auf dem kurzen Dienstweg, von Mensch zu Mensch. Dabei entsteht eine besondere Nähe. Wir sprechen oft vom „Community building“ in der Medienbranche. Eine aktive Twitter-Followerschaft ist eine starke, sympathische Community.

#Wirsindmehr: Auf Twitter etwas Reales bewegen

Und manchmal, sehr selten, lässt sich per Twitter sogar etwas Reales bewegen. Da plant die Stadt Chemnitz also nach den rechtsradikalen Exzessen ein Konzert am 3. September – als Zeichen, dass „wir mehr sind“ als die Extremisten.

Dass es nicht nur Nazis gibt in der Stadt. Dass die Mehrheit der Deutschen normale Menschen sind. Die Sache wächst. Die Toten Hosen sagen zu, Kraftklub, Marteria & Casper, Feine Sahne Fischfilet wollen auftreten. Viele tausend Zuhörer wollen nach Chemnitz kommen.

Per Tweet schlage ich vor, dass Firmen sich engagieren. Dass zum Beispiel Flixbus Busse schickt. Oder dass 3sat live überträgt. Oder dass Coca Cola Freigetränke spendiert.

Und plötzlich zeigt sich, wie schnell auch Gutes geschehen kann per Twitter: Es funktioniert. Flixbus liest den Tweet und sagt spontan zu. Sie wollen Extrabusse einsetzen.

Auch 3sat sagt zu.

Und auch Coca-Cola steigt ein.

Die Reaktionen: überwältigend positiv.

Weitere Informationen zum Konzert und zur Demo #Wirsindmehr am 3. September in Chemnitz gibt´s auf Facebook.

Die Lehre als twitternder Journalist: Aus Versehen zum Influencer

Die Lehre als twitternder Journalist daraus: Es ist nicht bloß der perfekte Kanal für Erregung und Empörung. Es ist auch der perfekte Kanal dafür, das Vernünftige und Positive zu organisieren und zu kanalisieren. Aus Versehen zum Influencer – so kann es kommen.

Die Lehre für ein Unternehmen daraus: Von Firmen wird heute mehr erwartet als attraktive Produkte und Dienstleistungen zu einem fairen Preis. Wer als Unternehmen spontan Haltung zeigt, sich engagiert und soziale Medien als fein justierten Seismografen für die Stimmungen im Land nutzt, kann mit überschaubarem Aufwand eine Menge Respekt und Anerkennung ernten.

Das ist am Ende emotionales Marketing. Und als Redaktion ist es überlebenswichtig, sich dort auf Augenhöhe mit seinen Lesern zu vernetzen. Nicht nur von Hirn zu Hirn, sondern auch von Herz zu Herz.

Mehr Einblicke in die Arbeit der Journalistinnen und Journalisten der MADSACK Mediengruppe gibt es auf unserem Blog.