„Lokaljournalismus ist die Königsdisziplin“

Thomas Düffert beim Kongress Zeitung Digital 2018

Am 21. Juni hielt Thomas Düffert, der Vorsitzende der Konzerngeschäftsführung der MADSACK Mediengruppe und Vizepräsident des BDZV, die Eröffnungsrede beim Kongress „Zeitung Digital“ in Berlin. Dort betonte Düffert die Rolle des Lokaljournalismus für die Demokratie. Ein Auszug aus seiner Rede.

Auszug aus der Rede von Thomas Düffert beim Kongress „Zeitung Digital“ am 21. Juni 2018

In Potsdam ein Stadtwerke-Manager, der einen bevorzugten Angestellten über Jahre hinweg zu hohe Gehälter genehmigt soll. In Hannover eine sich stetig ausweitende Rathausaffäre, deren vorläufiger Höhepunkt die Durchsuchung von Büro und Privatwohnung des Oberbürgermeisters war. Und in Schleswig-Holstein der ebenso ungeheuerliche wie dringende Verdacht, dass die Polizei Journalisten abhörte und deren Mailverkehr kontrollierte, um einen Informanten zu enttarnen.

Wer an investigativen Journalismus denkt, denkt oftmals an die großen Affären, die Deutschland und die Welt erschütterten. Den Watergate-Skandal, die Flick-Affäre, die Panama-Papers. An die großen Titel, welche diese Geschichten veröffentlichten. Aber: Eine New York Times, Washington Post, ein Spiegel alleine reichen nicht.

Eine lebendige, wehrhafte Demokratie benötigt mehr als EIN Sturmgeschütz. Eine lebendige Demokratie benötigt engagierte Journalisten, die den Skandalen, der Vertuschungen, den Heimlichkeiten in Potsdam, Hannover oder Kiel nachspüren, sie aufdecken und ans Licht der Öffentlichkeit zerren.

Der Lokaljournalismus ist die Königsdisziplin

Eine demokratische Gesellschaft braucht Journalisten in Lokalredaktionen, die mutig über Machtmissbrauch und Korruption in ihrer Stadt, in ihrer Nachbarschaft berichten, über Vorteilsnahme im Amt, Vertuschung von Baumängeln, Vetternwirtschaft. Kurz: Der Lokaljournalismus ist die Königsdisziplin. Unbestechliche, leidenschaftliche Lokaljournalisten machen Dummschwätzern, Demagogen und Populisten das Leben schwer.

Kritisch und unbestechlich über das zu berichten, was sich vor der eigenen Haustür abspielt ist für unsere Demokratie existentiell. Demokratie wächst von unten, sie hat ihre Wurzeln in den Gemeinderäten und den Stadtparlamenten, dem regionalen Gemeinwesen. Und zu diesen Wurzeln der Demokratie gehört auch die vierte Gewalt vor Ort, der lokale Journalismus. Wenn dieser verkümmert, verkümmern auch die Wurzeln der Demokratie. Und das hat weitreichende Folgen.

Ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber vielleicht wäre ein notorischer Faktenverdreher und Fake-News-Erfinder wie Donald Trump nicht Präsident der Vereinigten Staaten geworden, wenn der Lokaljournalismus in den USA in den vergangenen Jahren nicht so ausgetrocknet wäre.

Gerade im digitalen Zeitalter geht es genau darum: Um die Zukunft des Journalismus. Und damit um die Zukunft unserer Demokratie. Wir müssen uns mit der Frage beschäftigen: Wie können wir diesen unbestechlichen, kritischen Journalismus auch in der digitalen Zukunft finanzieren?

Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, dann ist es doch so: ohne signifikante Werbeerlöse wird Journalismus – der nicht öffentlich-rechtlich ist – jedenfalls für eine absehbare Zeit nicht zu finanzieren sein. Auch in der digitalen Welt bleiben Werbeerlöse für Verlage und Medienhäuser neben den sich langsam entwickelnden Bezahlmodellen die wichtigsten Einnahmequellen.

Faire Rahmenbedingungen, um digitalen Journalismus zu finanzieren

Verlage brauchen aber faire Rahmenbedingungen, um mit digitalen Werbeerlösen digitalen Journalismus finanzieren zu können. Das heißt, wir müssen digitale Werbung zielgruppengerecht ausspielen. Um Werbung zielgruppengerecht ausspielen zu können, muss es den Verlagen erlaubt sein, die Daten ihrer Nutzer zu verwenden. Daten sind die Grundlage für zielgruppengerechte Werbung.

Wer den Tausch „Daten gegen Inhalte“ beschränkt, behindert oder gar verbietet, der nimmt dem privat finanzierten Journalismus im Digitalzeitalter seine Lebensgrundlage. Ohne Daten keine Werbung, ohne Werbung kein Journalismus und ohne Journalismus keine echte Demokratie. Aus Angst vor dem Datenoligopol aus Google, Facebook und Amazon verfällt Europa in eine kollektive Datenschutz-Hysterie und produziert ein Verbots- und Bürokratiemonster namens DSGVO.

Ein Verbots- und Bürokratiemonster, das vor allem eines bewirkt: Es beschränkt und erschwert den Handel „Daten gegen Inhalte“ und bringt uns im Wettlauf mit den US-Techgiganten noch weiter ins Hintertreffen. Und vor allem trocknet es mit dem werbefinanzierten Journalismus auch die Wurzeln der Demokratie aus.

Kongress „Zeitung Digital“: Facebook und Co. geht es nur um Marktmacht. Nicht um Meinungsfreiheit.

Google, Facebook und Co. können ihr Glück zur Zeit kaum fassen: sie können ihre Geschäftsmodelle von europäischen Normen weitgehend unbehelligt weiterentwickeln und pfeifen im Zweifel auf den Datenschutz. Facebook & Co. verfahren im Zweifel weiter nach dem Grundsatz: Act first, ask for forgiveness later – sprich: erstmal machen, später um Entschuldigung bitten. Ein Vorgehen, welches sich deutsche Medienhäuser schlicht nicht leisten könnten.

Während wir uns nun mit DSGVO und E-Privacy-Verordnung abmühen, spielen Facebook, Google, Amazon und Apple weitgehend unbehelligt weiter ihr eigenes Spiel – nach ihren eigenen Spielregeln. Mit einem Unterschied allerdings: Facebook und Co. geht es nur um Marktmacht. Nicht um Meinungsfreiheit. Eine DSGVO, eine EU Privacy-Verordnung, die den Handel „Daten gegen Inhalte“ erschwert oder unmöglich macht, legt die Axt an den Journalismus an und damit auch an unsere demokratische Gesellschaft.

Wir müssen uns als Verlage gemeinsam und mit aller Kraft dafür einsetzen, dass der Irrsinn namens  DSGVO entschärft und dass der Wahnsinn namens E-Privacy VO gestoppt wird. Nur dann haben wir eine Chance, dass es auch in Zukunft noch Journalisten gibt, die in Potsdam, Hannover oder Kiel ganz genau hinsehen.

Thomas Düffert, der Vorsitzende der Konzerngeschäftsführung der MADSACK Mediengruppe, auf Twitter: @ThomasDueffert. Weitere Beiträge zum Lokaljournalismus finden Sie auf dem MADSACK-Blog.

Fotohinweis: Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V.